Rasse ohne Realität

Warum das Konzept der Unterarten fragwürdig und das der Menschenrassen überholt ist

Autor/innen

  • Stefan Richter
  • Torben Göpel

DOI:

https://doi.org/10.11576/biuz-4252

Schlagworte:

Unterart, geographische Rasse, taxonomische Differenz, Ding, Natural Kind, Konstrukt, Ornithologie, individuelle Medizin

Abstract

Die große Mehrheit der Biologen lehnt die Untergliederung des Menschen in verschiedene „Rassen“ ab. Vereinzelt wird jedoch auf die Vergleichbarkeit mit anderen Wirbeltieren, z. B. Vögeln, verwiesen, bei denen „geografische Rassen“ beschrieben wurden. Der Begriff der (geografischen) Rasse wird aber in der wissenschaftlichen Zoologie seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt, er ist vollständig durch den Begriff Unterart (Subspezies) ersetzt worden; eine ausschließliche Verwendung bei Menschen verbietet sich schon aus diesem Grund. So gesehen kann die Frage nur lauten, ob es beim Menschen (Homo sapiens) Unterarten gibt. Die Zuordnung der Kategorie Unterart zu einer Gruppe von Populationen ist in jedem Fall eine subjektive Entscheidung des Bearbeiters. Es gibt kein absolutes Maß genetischer oder morphologischer Unterschiede, welches zur Feststellung eines Unterartstatus herangezogen werden könnte. Ontologisch betrachtet stellen solche Unterarten Konstrukte dar, die keine biologische Realität besitzen. Dies unterscheidet sie ontologisch von Arten, welche je nach Artkonzept Natural Kinds oder sogar Dinge darstellen. Auf den ersten Blick erscheinen die von J. F. Blumenbach unterschiedenen fünf „Kontinentalrassen“ des Menschen wie Unterarten. Zwischen diesen vermeintlichen Rassen existiert aber eine beliebige Anzahl von Zwischenformen, die morphologischen Unterschiede sind keineswegs distinkt. Schon daraus wird deutlich, dass die Blumenbachschen Rassen Konstrukte des menschlichen Geistes sind und keine biologische Realität haben. Die genetische Variabilität des Menschen wurde schon lange vor Kolonialismus und Globalisierung durch Wanderungsbewegungen und Bevölkerungsaustausche beeinflusst. Moderne Genomanalysen zeigen globalen Genfluss, was jeder Einteilung in unterschiedliche Rassen widerspricht. Dass eine Unterteilung in Menschenrassen eine medizinische Bedeutung haben könnte, erscheint zweifelhaft. Natürlich sind auch die Häufigkeiten medizinisch relevanter Allele nicht gleichmäßig über die Menschheit verteilt, aber auch hierbei handelt es sich um Gradienten. Bei der Grenzziehung bleibt die gleiche Willkür wie bei anderen Merkmalen. Die Zukunft gehört einer individuellen Medizin mit Genotypisierung des Einzelnen.

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Veröffentlicht

2021-05-10

Zitationsvorschlag

Richter, S., & Göpel, T. (2021). Rasse ohne Realität: Warum das Konzept der Unterarten fragwürdig und das der Menschenrassen überholt ist. Biologie in Unserer Zeit, 51(2), 179–188. https://doi.org/10.11576/biuz-4252

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